Der Kalenderverlag Calvendo gehört zur Cornelsen-Verlagsgruppe und bietet Selfpublishern eine Verkaufsplattform für ihre selbstgestalteten Kalender. Der Bedarf ist riesig, und es gibt in diesem Sektor keine Konkurrenz. Doch was hat das Portal tatsächlich zu bieten? Hier ein Selbsterfahrungsbericht.

Ich war gewarnt: Was das Internet unter dem Stichwort „Calvendo Erfahrungen“ preisgibt, klingt nicht gerade einladend: dürftige Vorlagen, magere Honorare, dafür umso saftigere Endverkaufspreise. Trotzdem war ich, nachdem ich den Kalenderverlag Calvendo entdeckt hatte, wild entschlossen, ihn zumindest eine Saison lang auszuprobieren, und ließ mich durch kein Negativurteil abschrecken.

Das Portal schien mir genau das zu bieten, was ich mir schon lange wünschte: einen Verlag, der Autoren den Freiraum gibt, Kalender ganz nach ihren eigenen Vorstellungen zu veröffentlichen, und der ihnen zugleich die Arbeit des Druckens und der Präsentation abnimmt – also mit einem Wort, auf der Kalender-Ebene genau das, was Amazon-Kindle für das freie Publizieren von Büchern darstellt. Bis heute ist Calvendo weit und breit der einzige Verlag mit einem solchen Geschäftsmodell, und wenn man der Eigenwerbung glaubt, rennen die Kalenderautoren Calvendo gleich zu Tausenden die Bude ein. 

 

Überraschendes Kalender-Lektorat

Enthusiastisch meldete ich mich an und lernte Calvendos Editormaske kennen. Die Website war intelligent und allgemeinverständlich aufgebaut, obwohl die Gestaltungsmittel tatsächlich stark zu wünschen übrig ließen: Nur JPEG- und PDF-Formate wurden zur Bearbeitung zugelassen, und die Graphiktools waren sehr begrenzt. Das musste mich aber nicht interessieren – ich wollte zunächst nur bereits vorhandene Kalender für 2018 aufbereiten und auf dem Portal anbieten. Die lagen schon komplett mit Kalendarium vor, und Calvendo bot auch die Möglichkeit, fertige Kalenderblätter direkt in eine leere Vorlage hineinzukopieren. Ich hatte anfangs mit dem Hochladen erhebliche Probleme, aber schließlich fand ich heraus, welche Vorgehensweise die günstigste war, und reichte im Juni 2017 meine ersten beiden Kalender „Die schönsten Opernmorde“ und „Die schönsten Liebestode“ bei Calvendo ein.

Tatsächlich, die Kalender mussten bei einer Jury „eingereicht“ und von dieser „genehmigt“ werden. Schließlich sollte ja nicht jeder Dödel seine laienhaften Machwerke unter dem edlen Dach von Calvendo verbreiten. Nur Kalender, die sich durch originelle Thematik und professionelle Gestaltung empfahlen, waren würdig, als Calvendo-Kalender in den internationalen Handel zu gehen – so das offizielle Postulat.

Zensiert von der Calvendo-Jury: Die schönsten OpernmordeVon der ersten Rückmeldung der Calvendo-Jury war ich ganz begeistert: Es war ein komplettes Lektorat der beiden eingereichten Kalender, sehr akribisch, sehr detailliert und zum Teil auch wirklich kompetent. Ich werde nie erfahren, wer es geschrieben hat – die Nachrichten der Calvendo-Jury sind grundsätzlich anonym. Es scheint zu den Prinzipien des Verlags zu gehören, dass es keine Ansprechpartner und keine persönlichen Kontakte zwischen Calvendo-Autoren und -Mitarbeitern gibt. Doch hier hatte offenbar ein professioneller Graphiker meine Kalender gründlich durchgesehen und vom fehlenden Komma bis zur nicht ganz mittigen Jahreszahl eine Fülle von Details vermerkt, die der Verbesserung bedurften. Noch nie hatte sich jemand so intensiv mit meinen Kalendern auseinandergesetzt, und als graphischer Laie war ich aufrichtig dankbar für die Arbeit, die hier investiert worden war, und für die teilweise durchaus berechtigte Kritik.

 

Der Lektor als Zensor 

Ich sage, teilweise, denn es gab natürlich auch Änderungswünsche, die ich nicht einsah, besonders die Rechtschreibung betreffend; und hier fiel mir erstmals der kategorische Ton in den beiden Calvendo-Schreiben auf – als würden die Änderungen an den Kalendern nicht vorgeschlagen, sondern gefordert. Doch das konnte ja nur eine Täuschung sein. Ein echter Arbeitspartner würde doch immer für Argumente zugänglich sein und sich mit dem Autor einigen wollen. So dachte ich und setzte ein kindlich treuherziges Schreiben an den anonymen Calvendo-Mitarbeiter auf, in dem ich mich zwar artig für die helfende Kritik bedankte, aber zugleich auch die Hoffnung aussprach, dass meine Zusammenarbeit mit Calvendo nicht von der hundertprozentigen Erfüllung der genannten Auflagen abhängig sei:

Grundsätzlich hatte ich Ihr Projekt so verstanden, dass Sie auch Laien eine Chance zur Kalendergestaltung geben wollen. Dann wäre aber auch Freiraum für verschiedene Stile und Geschmacksrichtungen wichtig.

Die Antwort war eine kalte Dusche und machte meinem Dialog mit Calvendo ein Ende:

Durch langjährige Erfahrung und viele Tausend Projekte, die wir in dieser Zeit geprüft haben, trauen wir uns zu, einen eingereichten Kalender nach seinen Marktchancen beurteilen zu können. Aus diesem Grund erwarten wir, dass die Vorgaben der Jury, die auf eine bessere Verkäuflichkeit abzielen, auch umgesetzt werden.

Wenn Sie das nicht akzeptieren möchten und sich in Ihrer Kreativität beschnitten fühlen, haben wir dafür vollstes Verständnis. Dann sind wir jedoch leider nicht der richtige Partner für Sie. Wir empfehlen Ihnen dann, einen anderen Weg für die Vermarktung Ihrer Kreativität zu wählen.

Ich schämte mich. Wie konnte ich nur so dumm sein zu glauben, ich hätte mit Calvendo einen echten Arbeitspartner gefunden! Ich hatte einfach nur wieder einen klassischen Verleger gefunden. Einen Verleger, der alles besser wusste, der seinen privaten Kunstgeschmack für einen absoluten Qualitätsmaßstab hielt und der bestimmte, wo es lang ging – gehorche, Autor, oder du fliegst raus. Und ich fand mich wieder in dem heimlichen Kampf des Autors mit dem Verleger-Chef: Ich musste nach außen Männchen machen, musste scheinbar gehorchen und zugleich den Gegner durch Scheinbearbeitungen und kleine Schummeleien auszutricksen suchen. Wie hatte ich dieses Spielchen gehasst, als ich Verlagsautorin war! Und nun, da ich mich an die Freiheit des Selfpublishing gewöhnt hatte, fand ich mich erneut in dieser üblen Position – und das bei einem Verlag, der vorgab, eine Plattform für Selfpublisher zu bieten.

Normalerweise hätte ich natürlich an dieser Stelle das Portal verlassen. Jenes brutale Statement von Calvendo war ja ziemlich direkt als Rausschmiss formuliert. Zugleich aber schien es mir schon das erste Ergebnis meines Experiments zu sein, und ich beschloss, weitere abzuwarten. Die Kalendersaison war schließlich noch lang und konnte noch Überraschungen bergen.

Also reichte ich zwei weitere Kalender ein, aber keiner von ihnen fand Gnade vor den Augen der gestrengen Calvendo-Jury. Der erste Kalender "Die Säule", eine Collage von politischen Plakaten über das 20. Jahrhundert hinweg, wurde offenbar zumindest in Erwägung gezogen, was angesichts der heutzutage vorherrschenden Kalenderthemen nicht ganz selbstverständlich ist und positiv vermerkt werden muss. Doch der anonyme Bearbeiter monierte technische Unvollkommenheiten, uneinheitliche Abstände und Formate oder nicht mittig sitzende Bildunterschriften. Zweimal arbeitete ich nach und fand selbst an dem Ergebnis nichts auszusetzen, doch den hohen Ansprüchen des Bearbeiters genügte es noch immer nicht. Er vermisste bei dem Kalender ein „durchgängig professionelles Niveau“ und lehnte ihn im dritten Anlauf ab – sehr ärgerlich, besonders wenn man sich einige der publizierten, also offenbar für hinreichend niveauvoll befundenen Kalender ansah. Ärgerlich auch, weil gerade dieser Kalender als besonders wichtiger Teil meines Calvendo-Experiments gedacht war.

Mit dem „Wahnsinnskalender“ über psychisch kranke Künstler, den ich als nächstes ausprobieren wollte, wurde gar nicht erst viel Federlesens gemacht: Die Calvendo-Jury schmetterte ihn so hart und schnell ab wie einen Tennisball. Kaum eine Stunde, nachdem ich das Projekt bei Calvendo eingereicht hatte, ließ mich ein anonymer Mitarbeiter wissen, dass „die Bildauswahl/Projektgestaltung nicht überzeugen“ konnte und dass man nicht glaube, für das Projekt „einen genügend großen Interessenten-Kreis“ zu finden. Danach verzichtete ich auf das Anbieten weiterer Kalender – es wäre reine Zeitverschwendung gewesen.

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